Lesen mit Handicap

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von gamma.draconis.

  • Hi und Danke für die Rückmeldung.


    Ich habe mich an die Einschränkungen - oder besser, an den neuen Normalzustand - weitgehend gewöhnt. Ich finde es zwar schade, dass die Fähigkeit zur freien Rede völlig verschwunden ist, doch ich brauche sie nach dem Ende des Berufslebens eigentlich nicht mehr. Es ist lästig, dass in manchen Situationen mein Wortschatz eingeschränkt ist, so war zum Beispiel der Begriff "kognitive Fähigkeiten" völlig verschwunden und ich muss dann zu nicht ganz passenden Umschreibungen greifen. Es ist ein wenig schade, denn ich war mal richtig wortgewandt, das war Teil meines Jobs. Aber es gibt Schlimmeres. Ich muß mich jetzt gerade damit auseinandersetzen, dass mein Schlechtwetterhobby, das Basteln mit programmierbaren Robotern, ebenfalls zu Ende ist. Aber Programmierung ist nach wie vor eine zu hohe Anforderung und es ist wohl an der Zeit, die Gegebenheiten endlich zu akzeptieren und eine neue Beschäftigung für die Winterzeit und schlechtes Wetter zu finden.

    Ich habe noch andere chronische Krankheiten und bei denen war es überhaupt nicht schwer die Einschränkungen anzunehmen, doch bei denen im kognitiven Bereich tue ich mich schwer. Vielleicht war ich immer ein wenig zu stolz auf meine Fähigkeiten und deswegen kneift es an der Stelle besonders?

  • Ich habe noch andere chronische Krankheiten und bei denen war es überhaupt nicht schwer die Einschränkungen anzunehmen, doch bei denen im kognitiven Bereich tue ich mich schwer. Vielleicht war ich immer ein wenig zu stolz auf meine Fähigkeiten und deswegen kneift es an der Stelle besonders?

    Ich glaube weil man die - wenn sie funktionieren - nicht sonderlich beachtet, für selbstverständlich ansieht.

    Mir ist erst, als sie nicht mehr da waren, aufgefallen was mir fehlt.

    Ok, depressiv bin ich vermutlich schon seit der Kindheit/Jugend - aber das habe ich nicht wirklich bemerkt, einige Sachen - wie "Gefühlsduseleien" waren einfach nicht mein Ding und ähnliches, das hat mir aber nicht gefehlt - weil ich es nicht kannte.

    Was man nicht kennt, kann man nicht so gut vermissen ;-)


    Aber dieser ganze kognitive Kram, das konnte ich immer und auf einmal war das weg.

    Ich suche nach Worten, mache Schreibfehler - also nicht nur die normalen ;-) - früher war ich auch kein Rechtschreibungsheld, aber jetzt …. grauenvoll...

    Bei Fortsetzungsromanen kann ich eigentlich immer wenn ein neuer Band rauskommt, erst mal wieder bei Band 1 anfangen .

    Aber ok ich lerne langsam damit zu leben und "übe" das Lesen - es geht auch schon wieder etwas besser, in der ganz schlimmen Phase habe ich noch nicht einmal 1 Seite geschafft - aber jetzt gehen schon wieder Bücher die nicht zu viele verschiedene Handlungsstränge habe oder zu komplex sind.


    Roboter programmieren hört sich interessant an - ich bin momentan dabei unsere Wohnung zu renovieren und freu' mich das ich wieder "Farben" mag... vorher war es egal welche Farbe und von mir aus auch langweilig weiß und jetzt greife ich zu Honiggelb und Mango-Orange ;-)

    Somit gibt es tatsächlich auch immer wieder Fortschritte.

    Ich bin gespannt, welches Hobby du für dich neu enddeckst ;-)

  • Moin Suse,


    beim Lesen komme ich mittlerweile mit Trivialliteratur ganz gut zurecht. Es hat sich nur etwas Wesentliches geändert. Früher waren Bücher und Musik meine legalen Suchtmittel. Damit konnte ich mich aus dieser Welt ausblenden. Das funktioniert mit Büchern heute nicht mehr. Vielleicht liegt es daran, dass Lesen und das Rekapitulieren des schon Gelesenen zuviel Konzentration beanspruchen. Sachbücher sind nach wie vor sehr anstrengend, da brauche ich alle paar Seiten eine Pause. Das ist schade, denn ich finde an Trivialliteratur nicht mehr viel, das mich interessiert. Hier liegen zwei Sachbücher, rascheln vorwurfsvoll mit den Seiten, und warten darauf, dass ich endlich das erste zur Hand nehme. Doch es ist so verführerisch sich von Netflix berieseln zu lassen, dazu braucht man man kaum aktive Hirnzellen.


    Nachtrag: das mit den Farben finde ich immer wieder faszinierend. In der Beziehung bin ich typisch Mann - ich kenne sieben Farben, einschließlich Schwarz und Weiß ;-)

    Einmal editiert, zuletzt von gamma.draconis () aus folgendem Grund: Nachtrag angefügt

  • Moin auch :-)


    Du beschreibst es super - als ob Du in meinen Kopf gucken kannst ;-)

    Genau so ist es - ich konnte abtauchen mit lesen. Und heute geht das nicht mehr - oder nur noch extrem selten.


    Ich habe tatsächlich wieder angefangen zu üben mit den John Sinclair Romanen … evtl. kennst Du die ja, vom Alter her müsste es ja fast hinkommen ;-)

    Und die sind so was von flach..... unglaublich - früher fand ich die toll... aber da war ich auch 15 oder so ;-)

    Aber da musste ich wenigstens nicht immer zurückblättern, weil ich den Faden verloren habe, da ist irgendwie eh kein Faden .


    Ja einige komplexere Bücher (über Depressionen ;-) ) - liegen hier auch noch... aber da schaffe ich nur 1-2 Seiten .


    Mein Mann freut sich über die Farbwahl... allerdings nicht wegen der schrillen Farben, er findet weiß überall völlig in Ordnung... aber das ich wieder diese doch teilweise krassen Farben bevorzuge, zeigt das ich eine gute Phase habe ;-)

  • Hi Suse,


    ich habe ähnliche Versuche gemacht: Karl May „Durch die Wüste“ - das pure Grauen. Wie habe ich als Kind das endlose christliche Geseire und seine religiös begründete Überheblichkeit ignorieren können? Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“. Ich konnte mich wieder erinnern, warum ich die mit 14 schon in die Ecke geschmissen habe.
    Dann doch lieber niveauvolle Science Fiction. Philip K. Dick, Stanislaw Lem, zur Zeit lese ich den Sammelband „2001 Odyssee im Weltraum - Die komplette Saga“ von Arthur C. Clarke.

    Das wartende Sachbuch ist eine Untersuchung von Verschwörungstheorien. Wie sie entstehen und funktionieren, was sie von Fake News unterscheidet, u.s.w. Gerade jetzt, angesichts des Unsinns, der über die Corona Viren verbreitet wird, ein ganz spannendes Thema. Leider ist das Lesen ziemlich anstrengend.


    Wieder ein Nachtrag: jetzt wird es ziemlich OT, nicht wahr? Können wir das woanders fortführen?

    Einmal editiert, zuletzt von gamma.draconis ()

  • Wieder ein Nachtrag: jetzt wird es ziemlich OT, nicht wahr? Können wir das woanders fortführen?

    Erledigt ;-)

    Ein besserer Titel ist mich nicht eingefallen.


    Karl May ist krass :g005:Die Science Fiction Autoren sind alle schön zu lesen. Ich habe mehr so Krimizeit momentan - Andreas Gruber lese ich gerne und Andreas Pflüger.


    Über Verschwörungstheoretiker würde ich momentan nichts lesen wollen :g009: die gehen mir momentan alle so ziemlich auf den Keks.

  • Der Titel ist schon o.k., Namen sind eh‘ Schall und Rauch, nicht wahr?


    Die beiden Andreas habe ich für meine nächste Krimiphase vorgemerkt. Die letzte ist noch nicht lange her, da waren Charlotte Link und Susanne Mischke dran. Ein paar Bücher von Kate Wilhelm will ich nach vielen Jahren mal wieder ausgraben. Sie hat ein paar Romane geschrieben, die an der Grenze von Science Fiction und Fantasy lagen, und ich habe noch dunkel in Erinnerung, dass ich die damals verschlungen habe.

    Das mit den Verschwörungstheorien kann ich teilweise verstehen. Ein Freund driftet gerade in die Richtung ab und erzählt nur noch von den schlimmen Sachen, die ihm auf YouTube offenbart werden. Es ist traurig, aber zur Zeit ist alles Reden vergeudete Zeit und Energie. Jedes Gegenargument ist nur der Beweis, dass wir von der Systempresse manipuliert worden sind.


    Ich kann dir noch ein anderes Sachbuch anbieten, sogar mit einem lustigen Titel: „Relativer Quantenquark“. Der Autor ist Physiker und beschäftigt sich mit dem ganzen Blödsinn, der in der Esoterikszene über angebliche Folgerungen aus der Quantenphysik erzählt wird. Ds gibt es tatsächlich Medien, die - gegen entsprechende Entlohnung selbstverständlich - sich aus der Ferne mit ihrem Opfer verschränken und eine Quantenheilung durchführen. Das Buch erläutert aber auch ganz ernsthaft, was eine wissenschaftliche Theorie ausmacht und was wirklich hinter den mysteriösen Quanten steckt. Eigentlich ist das auch ein trauriges Thema, weil Scharlatane aus der Esoterikszene da Menschen Geld aus der Tasche ziehen.
    Ich sehe solche Themen wie einen Spaziergang durch den Zoo: es ist faszinierend, was es alles für bunte Vögel gibt. ;-)

  • Kate Wilhelm sagt mir gar nichts, da muss ich mal gucken - vielleicht hört sich ja etwas für mich interessant an.


    Relativer Quantenquark habe ich schon mal gehört das hörte sich aber recht kompliziert an :-O


    Und mit dem abdriften und einfach "machen lassen"... das verstehe ich auch - irgendwie kann man da gar nichts sagen, weil alles verdreht wird.

    Aber manchmal muss ich dann einfach was sagen - auf wenn ich weiß das es für die Katz ist


    Das mit den bunten Vögeln gefällt mir... das ist eine nette Vorstellung

  • Kate Wilhelm hat in den 70ern viel Fantasy geschrieben, aber eben auch Romane, die mehr in meine Richtung gingen. Was ich noch an Titeln ausgraben konnte war:

    - Hier sangen früher Vögel

    - Huysmans Schoßtierchen

    - Der Clewinston-Test

    - Inseln im Chaos

    - Margaret und ich


    Ich habe in den 70ern und frühen 80ern SF-Romane gesammelt. Leider mußte ich die Sammlung aus Platzgründen weggeben - da war ich kurz vor dem Heulen. ;(

  • [...]

    Und mit dem abdriften und einfach "machen lassen"... das verstehe ich auch - irgendwie kann man da gar nichts sagen, weil alles verdreht wird.

    Aber manchmal muss ich dann einfach was sagen - auf wenn ich weiß das es für die Katz ist

    [...]

    Das ist schon wieder völlig OT, aber hier ist ein passender Artikel bei netzpolitik.org „Wenn die Eltern plötzlich an Verschwörungstheorien glauben“


    https://netzpolitik.org/2020/w…-glauben-corona-pandemie/

  • Ach OT ist nicht tragisch und zum lesen war der Artikel ja auch ;-)


    Der war richtig interessant - da bin ich froh das ich für so was nicht so empfänglich bin - grübel oder zu gleichgültig... keine Ahnung - aber ich finde einige Theorien ja auch ganz interessant - allerdings frage ich mich meistens wie man auf so ein verschwurbeltes Zeug überhaupt kommt :-O

  • [...]

    - allerdings frage ich mich meistens wie man auf so ein verschwurbeltes Zeug überhaupt kommt :-O

    Nach meinem laienhaften Verständnis suchen Verschwörungsgläubige einfache Antworten für Vorgänge, deren Komplexität sie nicht sehen können oder wollen. Dass die heutige Flucht aus Afrika schon in der Kolonialzeit begründet wurde und sich in der heutigen wirtschaftlichen Ausbeutung des Kontinents fortsetzt, das scheint zu kompliziert zu sein. Dass die Flucht aus Afghanistan und dem Irak durch die idiotische Politik der USA verursacht wurde und nur eine unbeabsichtigte Nebenwirkung ist, das ist leicht zu verstehen - wenn man sich für solche Zusammenhänge interessiert. Das tun die Wutbürger und Verschwörungsgläubigen aber nicht. Sie wollen statt dessen jemanden, den sie heute angreifen können. Sie wollen einfache "wenn - dann" Antworten statt geschichtlicher Zusammenhänge, die auch noch Allgemeinbildung voraussetzen.

    Außerdem bedienen sie sich an altbewährten Klischees, wie das der Verschwörung um die Welt zu beherrschen. Das kommt immer gut, weil niemand konkret benannt wird, sondern immer nur sehr vage von "den Eliten" oder ähnlichem geredet wird. Gerade weil die Beschuldigungen so unspezifisch sind kann jeder seine eigenen Ängste dort hinein projizieren.


    just my 2 cents

  • mmhh ok das stimmt.


    Aber ich denke immer - wenn man sich nur mal kurz hinsetzt und logisch überlegt - muss einem doch eigentlich der Unsinn den man da grade verzapft klar werden.

    Aber ich denke, die Menschen waren schon immer so - nur durch Facebook und die ganzen anderen Sachen, bekommen die Menschen

    a. mehr Aufmerksamkeit - und die Aufmerksamkeit spornt sie weiter an

    b. es finden sich schneller und mehr Gleichgesinnte

    naja und c. man merkt wieviel seltsame Vögel es auf der Welt gibt … vorher hat man ja immer nur mal den einen oder anderen getroffen und nun treten sie in Scharen auf ;-)


    FB und Co sind ein Fluch und ein Segen … je älter ich werde tendiere ich allerdings mehr zum Fluch als zum Segen.

  • [...]Aber ich denke immer - wenn man sich nur mal kurz hinsetzt und logisch überlegt - muss einem doch eigentlich der Unsinn den man da grade verzapft klar werden.[...]

    Darauf gibt es nun wirklich eine einfache Antwort. Wenn Menschen eine Antwort auf diffuse Ängste bekommen, auf ihr gefühltes oder reales Scheitern angesichts einer immer komplexer werdenden Welt, warum sollten sie diese Antwort dann auch noch hinterfragen? Sie wissen jetzt endlich den Grund für die eigene Ohnmacht und gefühlte Bedeutungslosigkeit: es sind böse Mächte, „die da oben“, die daran Schuld sind. Die für alles verantwortlich zu machen ist doch geradezu eine Erlösung, denn anderenfalls müsste man sich eingestehen, dass man vieles nicht mehr versteht und tatsächlich nur ein bedeutungsloses Leben führt.


    Facebook ist meiner Ansicht nach die konzentrierte Form dessen, was sich im Internet schon immer abspielt. Ich bewege mich schon sehr lange in allen möglichen Foren, lange bevor es die Klicki-Bunti-Welt des WWW gab, und was wir jetzt bei Facebook erleben war schon immer da. Bei FB haben all die Rassisten und Verschwörungstheoretiker jetzt ein Sammelbecken gefunden. Auch das wird erträglich wenn man es wie einen Spaziergang durch den Zoo betrachtet. Ohne diese Sichtweise müssten wir an der Menschheit verzweifeln und ihren baldigen Untergang herbeisehnen.

  • Wenn Menschen eine Antwort auf diffuse Ängste bekommen, auf ihr gefühltes oder reales Scheitern angesichts einer immer komplexer werdenden Welt, warum sollten sie diese Antwort dann auch noch hinterfragen? Sie wissen jetzt endlich den Grund für die eigene Ohnmacht und gefühlte Bedeutungslosigkeit: es sind böse Mächte, „die da oben“, die daran Schuld sind.


    Ok das leuchtet ein




    Facebook ist meiner Ansicht nach die konzentrierte Form dessen, was sich im Internet schon immer abspielt. Ich bewege mich schon sehr lange in allen möglichen Foren, lange bevor es die Klicki-Bunti-Welt des WWW gab, und was wir jetzt bei Facebook erleben war schon immer da.


    Ich habe auch mit Compuserve angefangen ;-) - aber ich denke da gab es auch diese "Gruppen" - aber man hat sie nicht so leicht gefunden - also waren es weniger Menschen die sich dort getroffen haben und man wurde, wenn man diese Gruppen nicht aufgesucht oder gefunden hat nicht mit den seltsamen Theorien konfrontiert. Jetzt trifft man die ja auch in Häkelgruppen :-O

  • Bei Compuserve war ich relativ kurz. Wenn ich mich richtig erinnere gab es da interne Diskussionsforen. Ich habe damals einen Provider gefunden, über den E-Mail und der Zugriff auf das usenet ging. Leider kein FTP, aber das wäre über eine Modemverbindung recht teuer geworden. In den einzelnen Gruppen des usenet ging es damals auch schon recht schräg zu, sogar in den technischen Bereichen. Daran dachte ich bei meiner Bemerkung.


    Dass man im normalen Alltag bei ganz normalen Nachbarn schon Verschwörungstheorien begegnet finde ich tatsächlich verstörend. Nach 2015 haben sie sich über die Wutbürger langsam verbreitet, aber waren noch nicht so in „gutbürgerliche“ Bereiche vorgedrungen wie jetzt. Keine Ahnung wo das noch hinführt.


    Im nächsten Leben wird alles besser.

  • Nachdem wir immer mehr ins OT abgleiten schlage ich vor, das Gespräch bei „ditt und datt“ weiterzuführen. So kann ich gleich die Verlinkung ausprobieren:


    Hier geht‘s weiter

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