Verluste

Konnte gestern lange nicht einschlafen und es kamen Bilder und Erinnerungen ähnlich wie Flashbacks.


Da war mein ältester Sohn, er ist gehörlos, lebt in Nürnberg, also nicht hier um die Ecke, der sich von mir abgewandt hat, nach der Trennung von seinem Vater. Gerne hätte ich mit ihm darüber gesprochen, er wollte nicht. Ich hab ihm einen Brief geschrieben, aber er meinte, das interessiere ihn nicht.

Ich sah seine letzten bitterbösen, respektlosen Whatsapp-Nachrichten vor mir und kann mir dieses Verhalten nicht erklären. Er will mit mir und seinem Bruder nichts zu tun haben. Und ich dachte, nachdem er seinen Vater durch einen Lebertumor verloren hat, wäre ihm der Rest der Familie wichtiger geworden. Ich habe ihn nach diesem Kontakt „blockiert“, da ich es nicht mehr ertragen konnte. Mir wäre es wichtig gewesen, mich mit ihm auszutauschen, darüber zu sprechen was ihm zu schaffen macht, aber es ist nicht möglich. Ich kann das auch nicht mit einem „c´est la vie“ abtun.



Und meine um Jahre ältere (manchmal sehr dominante) Freundin, die ich über 30 Jahre schätzte und achtete, wir halfen uns, wo wir nur konnten. Sie ist eine sehr direkte Zeitgenossin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Aber das ist einer der Gründe, warum ich sie so schätze. Sie hat viel mit gemacht in ihrem Leben, hat aber trotzdem gekämpft, weiter - und das Beste daraus gemacht. Sie erkrankte dann an COPD und irgendwann fing sie an in jeder Beziehung, so direkt zu werden, dass es mir in meinem Zustand der Depression nicht mehr gut getan hat. Sie änderte ihre Meinung über Dinge, die ihr wichtig waren um 180 Grad. Ich sprach sie darauf an und ihre Antwort war: „Mich gibt es nur im Ganzen“.

In dieser Zeit habe ich ihr abgenommen, was ich konnte. Hab bei ihr geputzt, ihre Einkäufe zum Teil erledigt usw., obwohl ich mich oft dazu zwingen musste, weil ich selbst kaum noch Kraft hatte. Da ihre restlichen Freundinnen, alles noch ältere Modelle als ich, auch nicht mehr so gut in Schuss waren, machte ich ihr den Vorschlag, sich professionelle Hilfe zu suchen, sie ist wohlhabend und könnte sich das leisten (leider ist sie sehr sparsam). Die Antwort per Whatsapp war heftig und es wurden mir erschreckende Vorwürfe an den Kopf geworfen, dass jeder Zeit die Türe für mich offen gestanden hätte, dass ich einen „Putzgutschein“ den ich ihr zum Geburtstag geschenkt habe, noch nicht eingelöst hätte, dass ich unverschämt wäre, ihr so einen Vorschlag bezüglich professioneller Hilfe zu machen usw. Geantwortet habe ich ihr und ihr meine Meinung darüber geschrieben, nicht böse, aber sehr direkt und dass ich hoffe, dass sie unsere Freundschaft jetzt nicht auf´s Spiel setzt, mir wäre sie zu wertvoll. Aber es kam keine Reaktion mehr darauf und ich wusste, diese Freundschaft ist gegessen. Ich habe versucht sie zu verstehen, dass sie sich wegen der Krankheit so verändert hätte. Trotzdem tut es weh, die Freundschaft verloren zu haben.


Bei der 1. Reha habe ich eine junge Frau kennenlernen dürfen, die sich in der Klinik immer abgesondert hatte. Es entwickelte sich auch eine Freundschaft, weil wir offen miteinander sprechen konnten. Sie hat multiple Persönlichkeiten und ich habe oft nachgefragt, wie das sei und auch Bücher darüber gelesen, weil es mich ernsthaft interessiert. Letztes Jahr kam auch per Whatsapp so eine Ansage, die ich bis heute noch nicht verstanden habe, als ich ihr Belangloses geschrieben hatte, was sie nun wieder falsch gemacht hätte… Ich war entsetzt, weil da nichts war. Es war nervtötend, weil sie immer wieder nachgefragt hatte und ich ihr immer wieder zu verstehen gegeben habe, dass sie nichts falsch gemacht hätte und sie solle mir doch bitte mitteilen, an was sie das aufhänge. Irgendwann kam bei mir das Gefühl auf, dass sie mich als teilweisen „Mutterersatz“ sehen könnte und als ich ihr das mitgeteilt hatte, war es mit der Freundschaft aus.


Es ist so blöd über Whatsapp zu streiten. Es kommen so viele Dinge falsch rum, weil man ja die Mimik und Gestik des anderen nicht sieht und umgekehrt.

Es tut mir weh, diese Menschen verloren zu haben. Aber ich weiß auch, dass ich Querelen, Auseinandersetzungen dieser Art und Streitereien einfach nicht mehr haben kann. Mein „Kampfgeist“ ist bis auf fast Null geschrumpft. Deshalb lass ich das im Moment auf sich beruhen, die Energie hab ich momentan einfach nicht.


Schön, dass ich mir das mal von der Seele schreiben konnte! :thumbup:

Kommentare 8

  • Das sind wirklich sehr harte Verluste!

    • Ich würde diese damaligen Situationen gerne durchschauen und verstehen wollen, auch wo mein Beitrag zum Misslingen dieser Beziehungen liegt. Aber ich komme auf keinen grünen Zweig. Alles was mir dazu einfällt, sind Rechtfertigungen meinerseits und ich habe das Gefühl, das ist nicht der richtige Weg, aber meine Grenzen sind einfach erreicht. Ich versuche hier in der Gegenwart zu bleiben, was mir nicht immer gelingt und darauf zu vertrauen, dass sich vor allem die Beziehung zu meinem Sohn bessert. Habe auch vor, ihm einen Brief zu schreiben. Bei meinen Freundinnen bin ich noch nicht bereit, denn eine "Baustelle" reicht mir im Moment. ;-)

    • Finde ich auch: Eines nach dem anderen, nicht alles zusammen!

    • Wie geht es Dir?

    • Passabel. Eine Bestandsaufnahme wird aber frühestens heute abend, vielleicht erst morgen möglich werden: Im Moment sind meine Schwägerin und ihr Bruder noch bei mir zu Besuch: Fahren erst am Nachmittag wieder ab.

    • Kannst Du den Besuch genießen? Sorry, wenn ich so neugierig bin...